Nostalgie-Interludium – die 90er

In ruhigen Momenten kommt man als zeitgeistkritischer Zeitgenosse nicht umhin, einmal Bilanz zu ziehen und zu resümieren, inwieweit sich die Welt, in der man groß geworden ist, von der unterscheidet, in der man sich heute bewegt. Selbstredend greift bei einem mnemonischen Rückgriff auf die Vergangenheit auch immer das Phänomen der Verklärung, nach dem Motto “Früher war alles besser”. Man neigt dazu, Unangenehmes zu verdrängen und liebgewonnene Momente im Rückblick in leuchtenden Farben auszumalen und zu überhöhen. Dies ist ein vollkommen natürlicher Mechanismus, der den meisten Menschen gemein sein dürfte.

Mit etwas Mühe und einer ehrlichen Konzentration darauf, sich ein möglichst objektives Bild von der Vergangenheit zu machen, sollte es einem dennoch gelingen, einige wesentliche Merkmale vergangener Zeiten in Abgrenzung zur Gegenwart zu destillieren. Dass dabei womöglich auch Verklärung und subjektive Verherrlichung, etwa der eigenen Jugend, mitschwingt, lässt sich wohl nicht vollständig vermeiden. Und doch kann man getrost einige manifeste Unterschiede konstatieren, die einem ein Gefühl der Nostalgie vermitteln, das sich schwerlich abstellen lässt.

Ausgangspunkt für diese Überlegungen in meinem Fall war unten stehender Beitrag auf Facebook, der auf dem Höhepunkt des Corona-Regimes gepostet wurde:

Als Kind der 90er kann ich mich voll und ganz mit diesem eskapistischen Gedankenexperiment identifizieren. Genau so dürfte es zu jener Zeit abgelaufen sein. Man stand als Kind am Wochenende frühmorgens auf, knipste die Glotze an und genoss seine Zerealien bei den Tiny Toons, Ghostbusters, Cartoons aus dem Hause Disney oder japanischer Provenienz.

Die Neunziger Jahre waren für die überwältigende Mehrheit der westlichen Welt der Inbegriff von Frieden, Freiheit und Wohlstand. In der Tat sollte man bei diesem Schwelgen in längst vergangenen Zeiten nicht Mühsal, Not und Elend andernorts vergessen – oder die unrühmlichen und abscheulichen Verbrechen in Ruanda und Ex-Jugoslawien. Im Westen jedoch herrschte eine Zeit der ökonomischen Prosperität und relativer außenpolitischer Stabilität nach dem Ende des Kalten Kriegs. In Deutschland änderte sich innenpolitisch in den Neunzigern ohnehin wenig unter der langen Regierungszeit Helmut Kohls. Zur Wahrnehmung des “ewigen Kanzlers” gibt es übrigens eine interessante Studie von Allensbach aus dem Jahr 2022.

Doch auch andere, konkrete Unterschiede werden im Vergleich zur heutigen Welt evident. Dieses Nostalgie-Interludium nimmt sich einige davon vor und lädt den Leser wahlweise zum Schwelgen oder Reflektieren ein.

1. Unbeschwertheit

Das erste, was mir zu den 1990er Jahren einfällt, ist die relative Unbeschwertheit und Unaufgeregtheit. Durch die weitgehend gute wirtschaftliche Lage und die innen- wie außenpolitische Stabilität hatte man nie das Gefühl, ein Damoklesschwert über sich schweben zu haben. Kein Corona, keine Klimahysterie, keine drohende Wirtschaftskrise, kein Kriegsgebrüll. Letzteres änderte sich erst mit dem äußerst sichtbaren und auf lautstarken Widerstand stoßenden Eintreten für die NATO-Bombardierung Serbiens 1999 unter der rot-grünen Bundesregierung. Der damalige Grünen-Chef Joschka Fischer, selbst kein Kind von Traurigkeit, bekam aus Prostest für sein Eintreten für den Regime-Change in Jugoslawien beim Grünen-Sonderparteitag einen Farbbeutel ab. Auch heute sind es wieder die Grünen und ihre Anhänger, die am lautesten für einen Kriegseinsatz – natürlich nur für das Gute! – schreien.

Nach dem Fall des Kommunismus im Osten, der Wiedervereinigung und einer stabilen wirtschaftlichen Lage konnte man in den 1990ern jedoch von großen Umwälzungen und gesellschaftlichem Aufruhr weitgehend verschont bleiben.

2. Technikinduzierte Zombifizierung

Die 90er waren das Jahrzehnt, in dem analoge Medien dominierten. Filme schaute man auf Videokassetten, Musikkassetten wurden zunehmend von CDs ersetzt. Fernsehen war das Medium schlechthin, über das man Filme schaute, sich informierte und das öffentliche gesellschaftliche Leben sich abspielte.

Das Internet als Massenmedium steckte noch in den Kinderschuhen und galt eher als ein faszinierendes Nischenphänomen für Nerds denn als Must-have. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass wir unseren ersten Internetanschluss im Jahr 1998 bekommen haben. Eine ungemeine Faszination und Verheißung ging schon damals von diesem Instrument aus, das jüngere Generationen, die mit ihm aufgewachsen sind, heute wohl als “steinzeitlich” qualifizieren würden.

Die Technik hat den Alltag der Massen revolutioniert. Heutzutage ist man mit einem Handy überall erreichbar, kann alles in mit mobilem Internet nachschlagen und sich die Zeit vertreiben. Wenn man früher bei jemandem anrief und derjenige war gerade außer Haus, dann hatte man ihn eben verpasst. Entweder probierte man es später noch einmal oder der Adressat war eben anderweitig beschäftigt oder verreist. Kinder wurden nicht von ihren Eltern getrackt. Niemand wäre auf die Idee gekommen, sich Sorgen zu machen, nur, weil man jemanden nicht telefonisch erreicht hatte.

Man lernte noch die wichtigsten Telefonnummern auswendig. Heute hat man das Telefonbuch in der Hosentasche und lässt das Telefon einfach selber wählen.

Man vertraute nicht blind den Informationen, die irgendjemand im Internet veröffentlichte, und sei es auf Wikipedia oder einer anderen, als “offiziell” wahrgenommenen Plattform. Man las noch mehr “analog” und schlug noch Informationen in Büchern und Lexika nach.

Und man blickte nicht alle zwei Sekunden auf seinen tragbaren Supercomputer in der Hosentasche, wenn man einmal warten musste. Ja, man nahm sich damals noch die Zeit, nachzudenken und – Gott verhüte – sich zu langweilen.

Man freute sich auf bestimmte Serien und Filme, die an diesem oder jenem Tag um die und die Uhrzeit ausgestrahlt wurden. Heute ist alles mit nur wenigen Klicks “on demand” allzeit verfügbar.

Der Schreibtisch mit Computer war noch nicht das unangefochtene Gravitationszentrum einer Wohnung. Eher die Couch, der Sessel oder die Küche. Die Glücklichen hatten vielleicht damals schon Balkon oder Terrasse. Als Kind tobte man sich eher noch draußen beim Fußball, Verstecken, Lager-Bauen oder auf dem Spielplatz aus statt als Zocker im stillen Kämmerlein. Zugegeben, auch damals waren Spielekonsolen der Renner. Aber in der Zwischenzeit ist die Unterhaltungsindustrie mit ihren Gadgets, Apps und Spielen viel allgegenwärtiger und penetranter geworden. Damals hätte ich mich womöglich als Hikikomori vollends im virtuellen Universum verloren, bis meine Muskeln atrophiert und mein Fettgewebe hypertrophiert wäre.

3. Keine omnipräsente ideologische Durchdringung

Seit kurzem sind für einige, zeitlich weiter in der Vergangenheit liegende Serien und Filme mit einem Warnhinweis versehen worden.

Das folgende Programm wird, als Bestandteil der Fernsehgeschichte, in seiner ursprünglichen Form gezeigt. Es enthält Passagen mit diskriminierender Sprache und Haltung.

https://www.nius.de/Gesellschaft/pippi-otto-asterix-und-die-drei-kulturgueter-nur-mit-warnhinweis/b3c463d4-64d2-4dbb-97e2-37eb7666e3e2

So etwa “warnt” der WDR vor potenziell als Trigger für die ganz besonders zartbesaiteten Schneeflöckchen fungierenden Machwerken. Weder schulmeisterhafte Belehrungen dieser Art noch die ideologische Durchdringung sämtlicher Serien und Sendungen musste man damals hinnehmen.

Schon Sendungen, die Kinder als Zielgruppe haben, sind traurigerweise Zielscheibe kalt berechnender Zeitgeistideologen geworden. Man nehme etwa die Kinderkanal-Ausstrahlung “Malvina, Diaa und die Liebe“, die Indoktrination der Allerjüngsten mit Mainstream-Propaganda über die AfD und durch mainstreamideologiekonforme Bildungspläne oder die ethnische Umlackierung von Disney-Prinzessinnen (hier ein vollends zeitgeisthöriger Mainstreamartikel dazu).

Überhaupt die Schule: Natürlich gab es auch zu meiner Zeit Diskussionen über politische Themen in der Schule. Vielleicht hatte ich mit meiner als vergleichsweise objektiv empfundenen Schullaufbahn auch einfach Glück. Aber heute wird einem an jedem Winkel links-grün-woke Propaganda entgegengeschmettert. Schon am Eingang meiner alten Schule erspähte ich vor einigen Jahren das riesige Banner: Schule ohne Rassismus. Als ob es damit jemals Probleme gegeben hätte in jenem fränkischen Kleinstadtgymnasium. Nein, man muss sich heutzutage tugendprahlerisch als Musterbeispiel für Multikulturalismus und Willkommenskultur gerieren, wenn man in der Champions League der Gutmenschen mitspielen will.

Bildung ist da zweitrangig. Eher unterstützt man das Schulschwänzen am Freitag mit Fridays for Future (was für eine dämliche, pseudoangelsächsische Alliteration übrigens) oder ihrer militanten Avantgarde der Letzten Generation. Stattdessen beflaggt man Schulen wie öffentliche Gebäude mit Regenbogenfahnen und fördert Gender-Lehrstühle, deren Zahl im Jahr 2023 deutschlandweit auf 173 beziffert wird.

4. Originalität und Esprit

Auffällig ist in unserer Zeit vor allem, dass kaum noch etwas wirklich Neues erfunden wird. Sicher – die Technik entwickelt sich weiter, aber seit einigen Jahren dreht sich alles mehr oder weniger um Verbesserungen von Bestehendem statt genuiner Innovation. Diesen bemerkenswerten Befund teilen die beiden Autoren Edward Dutton und Michael A. Woodley of Menie Yr. in ihrem höchst lesenswerten Buch At Our Wits’ End. Ihre provokante These: Wir werden dümmer. Dies widerspricht diametral dem weit verbreiteten Glauben, dass der Durchschnitts-IQ weltweit tatsächlich zunehme, schon wegen des weithin bekannten Flynn-Effekts. Insbesondere in Abbildung 6 in ihrem Buch weisen sie einen merklichen Rückgang der “signifikanten Innovation” seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts nach.

Des Weiteren spricht für die Einfallslosigkeit vor allem die auffällige Flut an Remixes, Remakes und Adaptionen in der kulturellen Sphäre. Macht man das Radio im Auto an, schallt einem die x-te Coverversion eines Songs von vor Jahrzehnten entgegen. Ein regelrechter Tsunami an Superhelden-Filmen von Marvel oder DC drängt in die Kinos. Eine präzedenzlose Remake- und Sequel-Flut monopolisiert die cineastischen Bestsellerlisten. Man nehme allein die Top 20 der erfolgreichsten Filme aller Zeiten: Avatar 2x, Avengers 4x, Star Wars 2x, Jurassic Park 2x. Hinzu kommt ein Remake von König der Löwen (2019), Fast & Furious 7 & 8 (!), ein Remake von Top Gun (2022) und von Die Schöne und das Biest (2017). Eine pandemische Ausbreitung von massentauglichen Franchises bricht sich Bahn. Originalität sieht wahrlich anders aus. Der großartige Paul Joseph Watson hat sich als aufmerksamer Beobachter des Zeitgeschehens dieses Themas angenommen.

Besonders augenfällig ist der Niedergang von Ästhetik und gutem Geschmack im Bereich der modernen Kunst. Gerade hier, wo sich eigentlich eine künstlerische Avantgarde formieren und für neue Impulse sorgen sollte, sieht man den Verfall am meisten. Nicht der Hauch von Originalität; stattdessen eine ständige Wiederholung von längst nicht mehr provokanten, ausgelutschten Klischees. Paul Joseph Watson hat sich dieser armseligen Darbietung gleich in mehreren Videos gewidmet – hier, hier und hier. Genauso ergeht es der modernen Architektur. Der ubiquitäre Zweckbau, die immergleichen Innenstädte, die geisttötende Monotonie der modernen Urbanität kontrastiert deutlich mit alten Aufnahmen von einst. Der Feingeist und Polyhistor Roger Scruton hatte dies bereits vor Jahren bemerkt und mit seiner Dokumentation Why beauty matters aus dem Jahr 2009 einen eindringlichen Appell für eine Rückkehr zur Schönheit an die Öffentlichkeit gerichtet.

Es dürfte nicht zu weit gegriffen sein, wenn man mutmaßt, dass dieser Mangel an Inspiration und Innovation auch etwas mit dem unfreien Meinungsklima zu tun hat, mit dem der aktuelle Zeitgeist hausiert. Er charakterisiert sich vor allem durch Meinungs-, Denk- und Kritikverbote, die selbst einen prüden Puritaner vor Neid erblassen lassen dürfte. In einer solchen gesellschaftlichen Atmosphäre, die wie kaum eine andere Zeit auf Konformität setzt, etwas Neues, Provokantes und genuin Geistreiches zu erschaffen, kommt damit eine beinahe unüberwindbare Hürde zu.

5. Relativer Wohlstand

Bereits oben wurde die makroökonomische Situation als weitgehend positiv beschrieben. Aber was bedeutete das genau?

Nun, bei der Bank gab es beispielsweise noch Habenzinsen. Es ist erschreckend, wie schnell sich ein substanzieller Teil der Bevölkerung daran gewöhnt zu haben scheint, wie selbstverständlich Null- oder gar Negativzinsen auf Erspartes hinzunehmen. Vermögensaufbau ade?

Ich kann mich noch gut an Sparbücher und ganz normale Girokonten erinnern, bei denen man 2-3 % Zinsen auf sein sauer erspartes Geld bekommen konnte. Wer fleißig sparte, durfte von einem netten Vermögenszuwachs profitieren. Dies scheint nun seit Langem passé.

Die D-Mark als Hartwährung garantierte den Deutschen wirtschaftliche Stabilität. Sobald man nach Italien, Spanien oder Griechenland fuhr, konnte man durch Geldwechsel erleben, dass der relative Wert der deutschen Währung von Jahr zu Jahr zunahm. Das ganze dann für das europäische Elitenprojekt Euro aufs Spiel zu setzen, nur um sich dann Geldumtausch und Kopfrechnen im Urlaub zu ersparen, scheint mir doch ein schlechtes Geschäft gewesen zu sein – äußerst diplomatisch formuliert.

Die wirtschaftlichen Zwänge waren zu jener Zeit noch nicht dergestalt ausgeprägt, dass es unmöglich gewesen wäre, eine Familie mit nur einem Brotverdiener durchzubekommen. Zwar bahnte sich diese Entwicklung zum Mehrverdienerzwang bereits an, sie war aber noch nicht so unumgänglich wie damals.

Schon gar nicht hatte man mit einer unfassbaren und unverantwortlichen, da himmelschreiend unsozialen Geldentwertung zu tun, wie wir sie heute erleben. Freilich wirken hier makroökonomische Kräfte – Corona und Krieg etwa. Das grundlegende Problem aber, die Verschwendungssucht des Staates für ideologiegetriebene Projekte und “Rettungspakete” sowie Vergemeinschaftung von Schulden mit Schrottanleihenkäufen bei der EZB, wurde nicht abgestellt. Alle warten auf den großen Knall. Wobei Experten wie der in den letzten Tagen arg von Staatswegen in seinen Rechten verletzte Markus Krall eher davon ausgehen, dass wir uns an hohe Inflationsraten werden gewöhnen müssen. Anders ausgedrückt: Alles, was Sie mühsam durch ihrer eigenen Hände Arbeit erwirtschaften, wird jährlich um locker 5-10 % entwertet. Real verdienen Sie dann – wenn Sie sich nicht in Sachwerte oder inflationsresistente Werte flüchten – nur 91-95 %. Nochmal in anderen Worten: Wenn Sie ihr Geld auf der Bank liegen lassen, haben Sie in fünf Jahren die Hälfte bis 22­­-38 % ihrer Bankeinlagen verloren. Schöne neue Finanzwelt …

6. Sicherheit

Viele der Phänomene, die heute die Schlagzeilen bestimmen, gab es vor drei Jahrzehnten schlicht nicht. Mehrere Vergewaltigungen täglich, No-Go-Areas oder Schwimmbadokkupationen hätten sich niemand im Traum als traurige Alltagsrealität ausmalen können. Niemand kann die “Einzelfälle” (Zwischenfrage: Das Wort wurde nie zum Unwort des Jahres gewählt, oder?) zählen, die sich seit der Masseneinwanderung vollzogen haben, kaum jemand kann die euphemistischen Verrenkungen kompilieren, die mit den gesellschaftlichen Verwerfungen einhergehen.

Hier ein kleines Worst-Of:

  • Party-Szene
  • Antanzen
  • Wir schaffen das
  • Wir haben Platz
  • Armlänge Abstand

Auffällig ist die zwanghafte Ablenkung auf vermeintliche andere Ursachen (“toxische Männlichkeit”) und links-grüne Verklärung, wenn es um den empirischen Befund von Migrantengewalt geht. Natürlich dient dies in erster Linie dazu, die illegale Grenzöffnung 2015 und die mit ihr einhergehenden Kollateralschäden zu verschleiern.

In den 90ern war die Vehemenz, die sich heute mit Brennpunktvierteln, Clanstrukturen und Belästigungen Bahn bricht, einfach nicht gegeben. Was es gab, das waren Ausländergruppen, die jedoch in Anzahl und Größe in der Regel den Sicherheitsbehörden keine größeren Schwierigkeiten bereiteten. Vor allem im ländlichen Raum hatte man ein durchweg hohes Sicherheitsgefühl. Mit der millionenfachen Masseneinwanderung und der Errichtung von Aufnahmeeinrichtungen auch in ruralen Gegenden hat sich dies vollends gedreht. Ein sicherer Indikator für das prekäre Sicherheitsempfinden sind der rapide steigende Verkauf von Waffen, Pfefferspray, Taschenalarmen und Safe-Shorts. Diejenigen aber, die diese Entwicklung mutwillig, ideologietrunken und heilsfanatisch vorangetrieben haben, werden dafür wohl nie zur Rechenschaft gezogen werden. Zumindest nicht, solange sich das zeitgeistkonforme Regime noch fest im Sattel befindet.

7. Normale Familienstrukturen und normales Geschlechterverhältnis

Auch wenn in den 90er Jahren Scheidung und Patchworkfamilien keine Seltenheit waren, so strebte man doch ein intaktes Familienleben als Keimzelle der Gesellschaft an. Mittlerweile wird das traditionelle Familienbild jedoch zunehmend infrage gestellt, ja “alternative” Familienmodelle werden glorifiziert. Seit 2017 die “Ehe für alle” eingeführt wurde, wurden 65.000 gleichgeschlechtliche Ehen geschlossen. An und für sich ist daran auch nichts auszusetzen: Auch Homosexuelle sollen grundsätzlich über gleiche Rechte verfügen wie Heterosexuelle.

Die Frage ist nur, welches Lebensmodell als Zukunftsmodell am meisten Aufmerksamkeit, Schutz und Förderung bedarf. Da nur aus Ehen mit Partnern unterschiedlichen Geschlechts Nachwuchs (auf natürlichem Wege) hervorgehen kann, sollte ihnen vorrangig Beachtung geschenkt werden. Das Gegenteil ist der Fall: Es herrscht eine Obsession vor für allerlei von der Norm Abweichendes, für Trans- und Intersexuelle, Queere und Drag. Nun kann es einem Konservativen und sozial Libertären vollkommen egal sein, was sich womöglich im Schlafzimmer von mündigen Erwachsenen abspielt; ein großes Problem dürften alle bis auf voreingenommene Randgruppen damit haben, wenn man Kinder mit Derartigem belästigen, indoktrinieren oder gar “groomen” will. Dies dürfte bei der Absurdität der sogenannten Drag Queen Story Hour, einem Import aus Übersee, der Fall sein. Der scharfsinnige Martin Lichtmesz hat über eine ausgesprochen kontroverse Veranstaltung in der österreichischen Hauptstadt alles wichtige geschrieben (und eine ebenso lesenswerte Nachbetrachtung verfasst).

Wer sich die Mühe machen möchte, sich mit dem Thema Geschlechtlichkeit wissenschaftlich fundiert und weitgehend unideologisch zu befassen, dem sei The End of Gender der Sexualwissenschaftlerin Debrah Soh ans Herz gelegt. Der Affinität gegenüber der politischen Rechten unverdächtig, geht sie dennoch auf große Gefahren ein, die mit der Ideologisierung der Gender-Frage einhergehen, etwa der Rapid Onset Gender Dysphoria (bezeichnenderweise im Englischen Artikel als “Kontroverse” betitelt, im Deutschen erst gar nicht vorhanden) und die Gefahren von Pubertätsblockern und Detransition (i. e. Rückgängigmachung einer Geschlechtsumwandlung). Die ideologisch durchglühten Zeloten gehen auf diese realen Gefahren ebenso wenig ein wie auf den Fall David Reimer, einem himmelschreienden Fall von Menschenexperimenten zur “wissenschaftlichen” Untermauerung der frei wählbaren Geschlechtszuweisung durch Dr. John Money. Abermals Lichtmesz über den Fall:

Der Penis von Bruce wurde im Zuge einer Vorhautbeschneidung des Säuglings irreparabel verletzt und mußte amputiert werden. Money überredete die Eltern, das Kind zu kastrieren, den Hodensack zu falschen Schamlippen umzuformen, und es als Mädchen aufzuziehen. Mit Beginn der Pubertät mußten “Brenda”, wie das Kind nun genannt wurde, Östrogene verabreicht werden.

Moneys Ehrgeiz war, die Gendertheorie der freien Geschlechtszuweisung anhand von Zwillingen wissenschaftlich zu beweisen. Während das Experiment der Öffentlichkeit als Erfolg präsentiert wurde, sah die Wirklichkeit anders aus: Das Kind fühlte sich nicht als Mädchen, verhielt sich nicht wie ein Mädchen, und stürzte als Jugendlicher in tiefe Depressionen.

“Brenda” nahm schließlich den Namen “David” an, heiratete sogar und adoptierte drei Kinder. Als ihn seine Frau 2004 verließ, schoß er sich mit einer abgesägten Flinte in den Kopf. Sein Bruder Brian war bereits 2002 an einer Überdosis Drogen gestorben.

https://sezession.de/67766/venus-von-flensburg

Der Gender-Wahn ist so etwas wie das bizarre Endspiel einer Gesellschaft, die Toleranz gegenüber allem und jedem und Narzissmus über alles stellt und nach den Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie funktioniert. Dass dabei immense Kollateralschäden schulterzuckend in Kauf genommen werden, stört die wenigsten. Insbesondere die empirisch nachweisbare Gesetzmäßigkeit, dass die meisten der Kinder und Jugendlichen, die mit einer Geschlechtsumwandlung liebäugeln, später homoaffektive Lebensentwürfe haben, wird geflissentlich übergangen. Es bleibt anzunehmen, dass sich viele Opfer finden werden, die verfrüht zur Geschlechtsumwandlung samt Modifikation von primären wie sekundären Geschlechtsmerkmalen gedrängt wurden oder denen eine Lösung ihrer Dysphorie durch Pubertätsblocker suggeriert wurde. Erste, zarte Anzeichen in diese Richtung gibt es bereits – doch werden Betroffene von der fundamentalistischen Gender-Junta bis auf die Zähne bekämpft und diffamiert.

8. Huldigung des Klimakults

Mit dem Klimakult haben die Gesellschaftsexperimenteure das optimale Medium zur Kontrolle der Massen gefunden. Die Muster sind von Otto Normalnormie gar nicht zu durchschauen. Das goldfischhafte Ultrakurzzeitgedächtnis sorgt dafür, dass er sich von den Massenmedien alles mögliche einreden lässt. Wer hat schon die Zeit dafür, sich eingehend mit Klimatologie, Statistik und Metereologie auseinanderzusetzen, Daten zu sammeln und unterschiedliche Einflussgrößen zu untersuchen? Die Jüngeren wissen es dabei oft gar nicht besser: Ihnen fehlt schlicht die Vergleichsbasis früherer Jahre. Für Autoritäten – Lehrer, Prominente, Medien, Staat – ist es ein Leichtes, sie entsprechend zu beeinflussen.

Die Klimaerzählung ähnelt dabei einer Art Catch 22, aus dem man nicht ausbrechen kann. Erstens basiert sie auf einer unvollständigen Datenbasis. Man hat schlicht keine verlässlichen Daten über den Zeitraum von ca. 150 Jahren hinaus. Sodann muss man sich auf die fundamentale Rolle des Spurengases CO2 für die Klimaveränderungen einlassen, die auch noch – trotz anderweitiger Indizien, Eiskernbohrungen, Sedimentschichten mit urzeitlicher Flora usw. – maßgeblich anthropogenen Einflusses sind. Außerdem muss man glauben, dass eine Verhaltensänderung eines beträchtlichen Teils der Menschheit dazu führen wird, diese Entwicklung substanziell und nachhaltig umzukehren.

Eher spricht vieles dafür, dass es sich um einen religiösen neuzeitlichen Kult handelt, mit seinen Propheten, Priestern und Jüngern, die durch Kulthandlungen versuchen, sich klimagerecht zu verhalten, um nicht den planetaren Hitzehöllentod zu sterben. Schon in den frühen 2000ern war für mich absehbar, dass irgendetwas faul mit der ganzen Klimakiste war. Ich erinnere mich daran, auf ein Video des mittlerweile verstorbenen Bestsellerautors Michael Crichton gestoßen zu sein, der sich – in meiner Wahrnehmung – als einer der ersten öffentlichen Personen kritisch über das Thema äußerte. Hier eine seiner Einlassungen. Es war die Zeit, in der vornehmlich Al Gore die Werbetrommel für den Klimaschutz rührte, vor allem durch seinen Propaganda-Dokumentarfilm Eine unbequeme Wahrheit (engl. An inconvenient truth).

Es gäbe über dieses Thema so dermaßen viel zu schreiben, dass man ganze Bibliothekswände mit Kritik füllen könnte. Festhalten möchte ich nur, dass es in all den Jahren kaum vernehmbare Gegenstimmen zum Thema gab und sich zig apokalyptische Voraussagen als grundfalsch herausgestellt haben. Trotzdem beharrt die hohe Politik dogmatisch darauf, dass Milliarden zur “Bekämpfung” des Klimawandels aufgebracht werden müssten, weil wir sonst unsere Lebensgrundlagen vernichten würden. Das alles hört sich verdammt nach Erbschuld, Erlösungserzählung, Ablasshandel und Buße an. Ebenso werden Ketzer verfolgt, die auf Ungereimtheiten im Klima-Narrativ hinweisen.

In den 1990er Jahren war dies im Großen und Ganzen kein Thema. Sicher, Umweltschutz war damals schon ein wichtiges Schlagwort in der Politik. Die meisten nahmen das Thema aber gelassen. Man bezog sich damals eher darauf, keinen Müll in der Natur wegzuwerfen oder Flüsse zu verschmutzen. Hätte man damals davon geschwurbelt, dass die Welt in wahlweise 3, 5, 8, 10 oder 12 Jahren unumkehrbar den Point of no Return gen Klimaapokalypse überschritten hätte, hätte man demjenigen einfach den Vogel gezeigt.

Die Ökosteuer und das Dosenpfand – als zwei Aushängeschilder der rot-grünen Regierung ab 1998 – waren durchaus umstritten. CO2-Abgabe, Erneuerbare-Energien-Gesetz oder Heizungsgesetz wären damals sang- und klanglos am Widerstand der Bevölkerung gescheitert. Doch mehr als zwei Jahrzehnte Vergrünisierung Deutschlands – unter kräftiger Mithilfe der übrigen Altparteien – haben die Wähler gargekocht. Es würde mich nicht wirklich wundern, wenn die im links-grünen Sud gegarten Deutschen auch ihr letztes Hemd für eine vermeintliche Klimaerlösung geben würden.

Resümee: eine entspanntere Zeit

Sicher, es gab auch in den 90er Jahren einige Probleme. Auch damals waren Schlüsselinstitutionen bereits von demselben Zeitgeist durchsetzt wie heute, schon damals gab es Migrantengewalt und wirtschaftliche Probleme. Nichtsdestotrotz nahm sich alles noch weitaus weniger ernst aus als heute.

Ein Indikator, der eindringlich darauf hindeutet, dass es an der Zeit für eine echte politische Wende ist, ist die alljährliche Allensbach-Umfrage zum Jahreswechsel, die bereits seit 1949 durchgeführt wird (abrufbar auf der Startseite des Instituts). Erwartungsgemäß wechseln sich hier Höhen und Tiefen ab, sicher auch unter dem unmittelbaren Eindruck rezenter Ereignisse zum Erhebungszeitpunkt. Nichtsdestotrotz ist doch bemerkenswert, dass die Zuversicht nach Corona-Regime und Krieg in der Ukraine auf dem niedrigsten Stand seit über 70 Jahren ist. 2022 blickte gerade noch etwas mehr als jeder Vierte hoffnungsvoll auf das nächste Jahr. Selbst unter dem Eindruck von Balkan-Flüchtlingskrise und Rezession Anfang der 90er Jahre war der Tiefpunkt mit nur 37 % Optimisten-Anteil noch vergleichsweise positiv. Damalige Zeitgenossen würden wohl erschaudern, wenn sie sähen, was heute in diesem Land so los ist.

Reduzieren Sie noch heute Ihr Sozialkreditkonto - sagen Sie's weiter!

Schreibe einen Kommentar