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Warum Libertarismus (allein) nicht die Lösung ist

Spätestens seit dem formidablen Wahlsieg des unkonventionellen selbsterklärten Libertären Javier Milei in Argentinien wurde das Stichwort Libertarismus wieder einer breiteren Bevölkerung bekannt. Freilich nicht denen, die in der blaugepillten Mainstream-Matrix ihr Dasein fristen – die bekamen, wie wenig später beim niederländischen Wahlsieger Geert Wilders – das Totschlagwort “Rechtspopulist” serviert. Zwar haben Rechtspopulismus und Libertarismus an sich so viel gemein wie Knäckebrot und Supernova – aber die Staatsdiener des Staatsfunks können selbstredend schwerlich eine positive Sicht über eine Weltanschauung äußern, die den Staat mit seinen üppig ausgestatteten Sinekuren an sich infrage stellen. Stattdessen fühlt man sich bemüßigt, dem braven Bürger einzuhämmern, dass diejenigen, die für Privatinitiative und größtmögliche individuelle Freiheit eintreten, in Wahrheit rücksichtslose, egoistische Ellenbogenkapitalistenschweine sind, die am liebsten ihre armen Mitbürger verhungern lassen würden, um keine Steuern und Abgaben zahlen zu müssen.

Aber was versteht man unter Libertarismus eigentlich? Prinzipiell bedeutet es, dem Individuum die größtmögliche Wahl-, Entscheidungs- und generell Lebensfreiheit zu gewähren, die ganz entschieden erst dort endet, wo sie die Freiheit eines anderen beschneidet. In seiner Ausrichtung dem (klassischen) Liberalismus ähnlich, ist er jedoch wesentlich konsequenter und prinzipientreuer als sein neuzeitliches liberales Pendant, das in seiner zeitgenössischen Ausprägung oft als verwaschenes Liberalala verschrien wird. Vor allem die Anbiederung an sozialistische Projekte ist dem Libertarismus zuwider.

Aus der konsequenten Prinzipientreue des Libertarismus lassen sich einige politische Forderungen ableiten, die für das mainstreambeschallte Ohr durchaus “radikal” klingen mögen. (Einschub: Wenn als radikal der Wortsinn aufgefasst wird, nämlich dass etwas “von der Wurzel”, “von Grund auf” gemeint ist, dann trifft dies sogar zu.) So treten Libertäre für möglichst wenige (Anarcho-Kapitalisten sogar für gar keine) staatliche Eingriffe ein, was eine niedrige Steuer- und Abgabenlast für die Bürger impliziert. Alles, was der Markt regeln kann, soll der Markt regeln. Dabei zeigt die Empirie, dass Wettbewerb auf einem freien Markt tatsächlich durchgehend bessere Ergebnisse zeitigt als Staatswirtschaft. Einen Extremfall staatlichen Handelns – nicht nur in der Wirtschaft, sondern in sämtlichen Lebensbereichen – stellten die faschistischen und später die sozialistischen Staaten des 20. Jahrhunderts dar. Noch heute können die Nachwirkungen jahrzehntelanger Misswirtschaft und gesellschaftlichen Misstrauens in den betroffenen Ländern beobachtet werden.

Libertäre pochen ebenso auf ein unveräußerliches Recht auf Selbstverteidigung – und damit auf eine Freigabe des Waffenrechts. Auch hier liegen sie – wieder empirisch nachweisbar – richtig. Denn dort, wo ein liberales Waffenrecht herrscht, werden mehr Gewaltverbrechen verhindert. Grundsätzlich ist es ohnehin ein Unding, dass man mündigen, selbstverantwortlichen Bürgern das Recht auf Waffenbesitz grundlos untersagt, während echte Kriminelle immer einen Weg finden, sich Waffen zu besorgen. Hier hilft es, einmal hinter die Propaganda zu schauen und sich vor Augen zu halten, dass gerade die Schwächsten eine Chance auf Selbstverteidigung gegenüber Stärkeren bekommen, wenn sie Waffen tragen können. Aber es hat schon einen Grund, warum man gerne Extremfälle wie Amokläufe instrumentalisiert, um nach strengeren Waffengesetzen zu schreien. An die alte Dame, die mit einer Pistole die Möglichkeit besitzt, gewaltbereite Räuber in die Flucht zu schlagen oder das potenzielle Vergewaltigungsopfer, das sich gegen f***wütige Gruppen© zur Wehr setzen kann, soll man gar nicht erst denken. Doch eine ausführliche Behandlung des Themas würde an dieser Stelle zu weit führen.

Daneben treten Libertäre für absolute Vertragsfreiheit ein, was u. a. eine Legalisierung von Drogen, Glücksspiel und Prostitution einschließt, wodurch sie sich deutlich von Mainstream-Konservativen unterscheiden. Wobei ich ganz dezidiert und fest überzeugt die Ansicht von Ronald Reagan vertrete: Konservativismus und Libertarismus sind beinahe untrennbar miteinander verwoben. Ein wahrer Konservativer will auch vom Staat in Ruhe gelassen werden – die Kernüberzeugung, die Roland Baader in die Sentenz goss:

Das einzig wahre Menschenrecht ist das Recht, in Ruhe gelassen zu werden.

Der 40. Präsident der Vereinigten Staaten, dessen Vorname ein Anagramm von Baaders ist, konterte gekonnt den herablassenden Einwand seines Gesprächspartners, in der festen Überzeugung, dass Libertarismus ein Kernbestandteil von Konservatismus ist:

Reagan über Libertarismus

In Deutschland bildet der Libertarismus nur eine Splittergruppe. Seine politische Vertretung findet er in der BRD vor allem in zwei Parteien: in der PDV und der AfD.

Die Partei der Vernunft, kurz PDV, verdient einen kurzen Exkurs. Die dezidiert libertäre Partei wurde 2009 von Oliver Janich gegründet (ja, genau der – wie Ballweg – wegen Coronismusleugnung verhaftet wurde, spektakulär auf den Philippinen). Mit ihren rund 250 Mitgliedern spielt sie politisch kaum eine Rolle, ist aber auf Social Media durchaus präsent und aktiv. Ihre Einlassungen sind durchaus vernunftgeprägt und absolut konsequent.

Noch ein Einwurf: Wer allen Ernstes beim Thema Libertarismus noch an die FDP denkt, der hat das letzte Vierteljahrhundert verpennt und kann friedlich weiterschlummern. Der rückgratlose Laden, der lieber schlecht regiert als gar nicht, bekommt es nicht einmal auf die Reihe, tatsächlich für die auf die eigenen Fahnen geschriebene Freiheit einzutreten. Da ist es nur konsequent, dass die Partei sich gerade überflüssig macht.

Was den Libertarismus so attraktiv macht

In einer gesunden Gesellschaft, in der jeder seines eigenen Glückes Schmied ist, keine Zwangsumverteilung und Vetternwirtschaft, keine Verquickung von Politik und Wirtschaft und keine Bevormundung durch den Staat existiert, wären Libertäre nicht die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen, sondern die Regel. Doch in einer solchen Gesellschaft leben wir nicht. Und es hat sie noch nie gegeben. Wohl aber existierten schon immer Abstufungen der Freiheit – mit totalitären Staaten nahe dem einen Pol und freiheitlichen Staaten am anderen. Leider waren erstere – mit unterschiedlichem Grad des Totalitarismus – aus historischer Perspektive klar in der Mehrheit. Diese historischen Erfahrungen der Untertanen (denn als Bürger kann man die Menschen in diesen Systemen ja nicht bezeichnen) haben dazu geführt, dass sich im kollektiven Gedächtnis eine Vorstellung vom Staat verfestigt hat, die die Eigenverantwortung zunehmend externalisiert und auf den Staat abgewälzt hat. Natürlich gab es immer wieder in der Historie Bewegungen, die nach mehr Freiheit vor staatlicher Bevormundung strebten; und doch prägen Staaten in der einen oder anderen Form das menschliche Zusammenleben seit Jahrhunderten.

In den letzten Jahrzehnten setzte überdies noch ein Phänomen ein, das den Anspruch auf Kontrolle durch den Staat noch potenzieren sollte: die zunehmende Auflösung der Bindungskraft traditioneller Institutionen. Sowohl Familie als auch Bildungswesen, Gesundheit, aber auch Wirtschaftsunternehmen, Medien und Kirchen befinden sich im radikalen Wandel. Ohne an dieser Stelle zu sehr ins Detail zu gehen, lässt sich schon an der Nennung dieser Wirkungsbereiche die erhebliche Einflussnahme des Staates durch die Politik konstatieren. Um diese Aussage nachzuvollziehen, genügt ein Vergleich mit der Zeit von vor – sagen wir – 50 Jahren. 1973 war die traditionelle Familie noch die Norm, das deutsche Bildungswesen zählte zu den besten weltweit, das Gesundheitswesen war noch kein semi-sozialistisches, dysfunktionales Konstrukt mit immer schlechterer Leistung für immer höhere Kosten, Medien berichteten noch halbwegs im Einklang mit journalistischen Standards und die Kirchen sprachen von Gott und redeten nicht der hohen Politik, die sie fütterte, nach dem Mund.

Die freiwillige Entmündigung des Bürgers, à la “Da soll sich der Staat drum kümmern!”, ist so weit fortgeschritten wie selten zuvor. Den Bürgern wurde jahrzehntelang die Abgabe von Entscheidungsfreiheit eingehämmert. Es sei ja “gut”, dass sich “kompetente” “Experten” um das Funktionieren des Systems kümmern. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es eine Menge Leute gibt, die bis heute so denken – trotz Coronismus, trotz der mittlerweile glasklar widerlegten Prophezeiungen unzähliger Klima-Apokalyptiker, trotz der Kompendien voller Politiker-Lügen, die sich über die Jahre angehäuft haben.

Einige, die sich für mehr Eigenverantwortung und Entscheidungsfreiheit einsetzen wollen – schließlich weiß man doch immer selbst am besten, was man mit dem eigenen Geld machen sollte – finden daher den Libertarismus äußerst reizvoll. Auch die Haltung zu Non-Interventionismus, zu einer klaren Absage an Verbotspolitik und einem Wust an Vorschriften, Regeln und Paragraphen, die ohnehin meist einander widersprechen und nur Verwirrung stiften und das konsequente Setzen auf das Individuum sind für einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung sehr attraktiv.

Jeder freiheitsliebende Mensch muss den Libertarismus schon deshalb anziehend finden, weil er für ein Maximum an Freiheit eintritt. Anarcho-Kapitalisten plädieren gar für eine Komplettabschaffung aller staatlichen Institutionen – ergo auch Polizei, Justiz und Gesundheitsversorgung – und preisen privatwirtschaftliche Alternativen an, die effizienter seien. Über die grundsätzliche Möglichkeit will ich mich an dieser Stelle gar nicht auslassen; es gibt Myriaden an Streitgesprächen zwischen Minimalisten und Anarcho-Kapitalisten über die grundsätzliche Machbarkeit und Erwünschtheit einer ausschließlichen Privatgesellschaft versus einem Nachtwächterstaat, deren Wirkung sich streng auf klar definierte Kernaufgaben beschränkt – diese dafür aber effizient durchsetzt.

Libertarismus als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung

Wenngleich die Freiheit als absolute Grundvoraussetzung gegeben sein muss, um überhaupt etwas bewirken zu können, so krankt sie doch an einem fundamentalen Defizit: Sie gibt keine Richtung vor. Ein freiheitlich gesinnter Mensch wird dies womöglich impulsiv als ausgesprochen positiven Aspekt deklarieren. Bei eingehenderer Betrachtung jedoch dürfte klar werden, dass dies nur die halbe Wahrheit ist. Denn der Mensch braucht Intention wie die Luft zum Atmen.

In diesem Zusammenhang fällt mir die Anekdote vieler frisch nach Westen gezogener Ex-DDR-Bürger ein. Wo es in ihrer realsozialistischen Heimat nur eine Sorte Zahnpasta, nur einen Kaffee und nur einen Joghurt zu kaufen gab, wurden sie durch die geradezu schlaraffenländische Angebotsvielfalt in BRD-Supermärkten regelrecht paralysiert. Wie nur wählen, wie sich entscheiden in der Flut von Markenprodukten? Colgate, Dentagard oder doch doch Blend-a-med? Und warum das Eine lieber als das Andere?

Natürlich ist der Konsument durch die enorme Wahlfreiheit freier als der uniformierte und genormte sozialistische Mensch. Aber ganz pragmatisch gesprochen: Was bringt ihm das konkret? Wenn er kein nerdiger Zahnpastafetischist ist, sondern bloß sicherstellen will, dass er ein funktionierendes Produkt erwerben kann, das unangenehme Besuche beim Zahndoktor zu einer weitgehenden Rarität werden lässt, braucht er die Markenvielfalt nicht. Die Qual der Wahl wird zu einer echten Belastung, die den Konsumenten eher Zeit und Energie kostet, anstatt einen echten Mehrwert zu bieten.

Supermarktregale mit Hygieneprodukten und wenigen Personen

Die enorme – ja schier unbegrenzte – Wahlfreiheit, die sich der Libertäre bereits als gewünschte Idealvorstellung ausmalt, ist trügerisch. Sie kann in der Praxis schnell lähmend wirken. Freiheit an sich gibt per definitionem niemals eine Richtung vor. Sie ist nicht mehr und nicht weniger als eine große, leere Leinwand, auf der jeder malen kann, wonach ihm der Sinn steht. Das Problem ist, dass ohne jegliche Vorgaben die allermeisten Menschen hilflos überfordert sind.

Das Problem ist größer, als sich viele Erzlibertäre eingestehen wollen. Zumeist haben Adepten dieser Weltanschauung ohnehin genaue Vorstellungen davon, wie sie ihr Leben leben wollen und leben würden, wenn sie noch mehr an staatlicher Bevormundung und Einengung abschütteln könnten. Doch der breiten Bevölkerung geht es ganz anders – und das ist noch nicht einmal negativ gemeint.

Der Mensch braucht einen Sinn. Und in puncto Sinnstiftung hat der Libertarismus fast nichts zu bieten. Er liefert gerade kein Schema, kein Modell, wie sich ein erfülltes Leben gestalten ließe. Er kann nicht mit einem Patentrezept für den Einzelnen aufwarten – gerade weil er sich der Unterschiedlichkeit der Menschen und ihrer individuellen Wünsche und Bedürfnisse bewusst ist. Damit ist er freiheitsbeschränkenden Gesellschaftsentwürfen immer noch um Lichtjahre voraus – aber er gibt Menschen weder Richtung noch Orientierung.

Ohne Sinn keine Energie und Schaffenskraft. Ohne Motivation und Schaffenskraft kein Fortschritt, keine Entwicklung und Wachstum. Und damit kein Wohlstand. Paradoxerweise sorgt der Libertarismus allein mit seiner freiheitsmaximierenden Kraft somit nicht für mehr Prosperität. Erst, wenn der Einzelne seine Handlungsfreiheit nutzt und seine Energie und Motivation dazu einsetzt, das zu tun, was seinen Talenten, Fähigkeiten und Ambitionen entspricht, kann eine Gesellschaft erblühen. Wobei auch hier wieder festgehalten werden muss, dass es hier um die Wirtschaft geht. Das Verhältnis von Wirtschaft und Gesellschaft kann analog zum Verhältnis von Freiheit und Gesellschaft verstanden werden: Wirtschaft (oder: Geld) ist nicht alles – aber ohne Wirtschaft (Geld) ist alles nichts.

Ein Libertärer ist kein besserer Mensch

Ein Punkt, mit dem viele Libertäre hadern werden, ist der, dass die individuelle Freiheit nicht mehr sein kann als die Grundvoraussetzung für eine florierende Gesellschaft wie für ein erfülltes Einzelleben. Doch es erfüllt das menschliche Herz nicht mit Sinn. Dabei ist es gerade der Sinn, der die Menschen das Großartigste leisten lässt, wozu sie imstande sind.

Im Marketing hat sich mittlerweile die eindeutige Erkenntnis durchgesetzt, dass man mit dem Warum beginnen muss, wenn man unternehmerisch erfolgreich sein will. Erst, wenn die Mission, der Reason Why, deutlich wird, hat man den nötigen Drive, die wichtigen Potenziale auszuschöpfen und andere zu überzeugen. Dabei spielt es keine Rolle, wie dieses Warum konkret ausgestaltet ist. Wichtig ist nur, dass es vorhanden ist.

Der Libertarismus vermag diese Leistung nicht zu vollbringen. Damit will ich auf keinen Fall dafür plädieren, die individuelle Freiheit auch nur ein Iota einzuschränken. Vielmehr geht es mir um die fundamentale Erkenntnis, dass Freiheit als Selbstzweck zunächst nicht viel verändern wird.

Doch ziehen wir verschiedene Beispiele für die Konsolidierung und Illustration dieses Arguments heran. Gehen wir dabei auf die Bereiche ein, die klassische Konservative von Libertären trennen:

  1. Drogen
  2. Prostitution
  3. Waffen

1. Drogen

Libertäre sind für die Freigabe (fast) aller Drogen für Erwachsene. Sie setzen hier konsequent auf die Eigenverantwortung des Einzelnen, dem der Staat nicht vorzuschreiben hat, was er zu tun oder lassen hat. Grundsätzlich wäre hier auch nichts einzuwenden. Die meisten Menschen reagieren genervt auf die hohe Politik, die ihnen den Fleischverzehr – im wahrsten Sinne des Wortes – madig machen will und ihnen stattdessen vorschreiben will, dieses oder jenes Lebensmittel verstärkt zu konsumieren (etwa aus Klima- oder Nachhaltigkeitsgründen). Doch wie sähe das wahrscheinlichste Szenario aus, wenn beispielsweise alle Drogen legalisiert werden würden?

Eine Zusammenstellung unterschiedlicher Drogen und Pillen, einzeln und in Fläschchen und Behältern

Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung würde im Drogenrausch versinken – und ein großer Teil davon an ihm zugrunde gehen. Denn das menschliche Gehirn hat den immer potenteren Substanzen immer weniger entgegenzusetzen. Heute ist es noch so, dass einige Drogen illegal sind – was zumindest eine gewisse Hemmschwelle und Abschreckung darstellt. Wenn es jedoch zu einer vollkommenen Legalisierung kommen würde, wäre der Zugang zu den bewusstseinsändernden Substanzen ungleich größer. Sucht und Abhängigkeit würden beinahe zwangsläufig in die Höhe schießen. Verkehrsunfälle unter Drogeneinfluss würden genau so in die Höhe schießen wie Gewaltdelikte.

Auch wenn einzelne einen “gesunden” Modus vivendi (wobei die Frage gestellt werden muss, inwieweit jemand, der Drogen für ein erfülltes Leben benötigt, “gesund” sein kann) mit freizeitlichem Drogenkonsum wird vereinbaren können, dürfte dies auf das Gros der Bevölkerung kaum zutreffen. Es wäre sicher nicht wünschenswert, durch den legalen Erwerb den Anteil der Drogenkonsumenten in der Gesamtbevölkerung nach oben zu treiben.

2. Prostitution

Eine junge, aufreizend und ganz in Schwarz gekleidete Frau in einer schmummrigen Gasse mit kurzem Rock und hohen Stiefeln

Selbiges gilt auch für Prostitution. Obwohl auch hier durchaus positive Effekte denkbar sind – Zugang zu Sexualität durch Personen, die sonst keine oder kaum Chancen im großen Dating-Spiel haben – ist es doch für eine stabile und geordnete Gesellschaft sicher wenig wünschenswert, wenn man sich Sex einfach kaufen kann, anstatt an sich selbst zu arbeiten, einen liebevollen Partner zu finden und eine Familie zu gründen. Die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen dürften auch hier eher ins Negative denn ins Positive schlagen.

Das bedeutet keineswegs, dass man Sex oder Pornographie grundsätzlich verbieten sollte. Zur Ehrlichkeit gehört aber auf jeden Fall, dass beides dunkle und schlimme Seiten hat, die gesamtgesellschaftlich erhebliche Probleme verursachen. Insbesondere sind beide Phänomene nach eindeutigen Erkenntnissen für die Keimzelle der Gesellschaft – der Familie – in ihrer Wirkung äußerst abträglich.

Kaum anzweifeln lässt sich der Umstand, den der beinahe grenzenlose Zugang zu Pornographie auf die psychosoziale und physiologische Entwicklung von jungen Menschen – vor allem Männern – hat. Diese Erkenntnisse diffundieren jedoch nur äußerst langsam in die Allgemeinbevölkerung; und das, obwohl Gary Wilson in einem schon über 16 Millionen mal angeklickten TED-Talk vor über zehn Jahren über die abträglichen Effekte des Pornographiekonsums gesprochen hat.

Selbiges gilt auch für die negativen Seiten von Prostitution: Begünstigung von Promiskuität auf beiden Seiten, Sex als Ware und schlichtes Genussmittel statt untrennbarer Bestandteil von ernsthaften, stabilen Beziehungen. Zahlreiche Indikatoren weisen darauf hin, dass vor allem Männer immer häufiger Singles bleiben (57,5 % der Männer bis 49 Jahre lt. Arbeitsgemeinschaft Verbrauchs- und Medienanalyse, 2022). Es dürfte als erwiesen gelten, dass weibliche Hypergamie dazu führt, dass eine immer geringere Anzahl von Männern überhaupt noch Zugang zu Sexualität bekommt, während – insbesondere auf modernen Dating-Apps wie Tinder – eine winzige Minderheit von promisken Männern – Wortspiel intendiert – absahnt. Radikalfeministische Männerhasserinnen, die mit ihrer misandrischen Propaganda weibliche Hirne für ehrliche Beziehungen vergiften und verderben, tun ihr Übriges. Wundert es da, wenn Männer, anstatt sich mit einer hirngewaschenen Femo-Furie abzugeben, lieber gegen Bezahlung ihre Triebe befriedigen?

Zugleich entsteht durch die Erosion traditioneller Moralvorstellungen im zwischenmenschlichen Bereich ein ganzer Katalog an quasi-homophonen Akronymen wie SINKs, SIMPs und DINKs, die eine Gemeinsamkeit haben: Sie sind Ausdruck einer hedonistischen und antinatalistischen Gesellschaft, in deren Lebensentwürfen die bloße Spaß- und Lustmaximierung im Jetzt alles überstrahlt, was seit Menschengedenken für genuine Erfüllung im Leben gesorgt hat – echte, partnerschaftliche Beziehungen.

3. Waffen

Zwei moderne Gewehre auf schwarzem Grund

Beim Thema Waffen muss ich vorab explizit darauf hinweisen, dass ich ein absoluter Verfechter des Rechts auf Waffenbesitz bin. Ganz dezidiert trete ich dafür ein, dass grundsätzlich jeder ein Recht dahingehend innehaben sollte, eine Waffe zu führen. Der Teufel steckt im Detail.

Denn ein absolut uneingeschränktes Recht auf Waffenbesitz kann nicht im Interesse einer Gesellschaft sein. Was meine ich damit? Es gibt durchaus Personengruppen – Schwerkriminelle, Psychopathen, schwer Depressive, Leute mit sehr geringer Selbstkontrolle etc. – denen dieses Anrecht verwehrt bleiben sollte, um die Sicherheit der Gesellschaft und das Recht auf Selbstverteidigung nicht zu untergraben. Eine gewisse Einschränkung – freilich mit einer Menge Fingerspitzengefühl – muss gegeben sein, damit das Waffenrecht tatsächlich positive Effekte zeitigen kann.

Auch Libertäre sind nicht davor gefeit, gewissermaßen “fundamentalistisch” zu denken und selbst solche – meines Erachtens legitime – Restriktionen aus ideologischen Gründen zu verdammen. Denn – und diese Frage ist bis zu einem gewissen Grad sogar berechtigt: Wer bestimmt, wer Waffen besitzen darf und wer nicht? Eine richtige Frage – die allerdings in der Praxis recht pragmatisch beantwortet werden könnte: Es müssten entsprechende gesetzliche Regelungen geschaffen werden, die das Recht auf Waffenbesitz nur unter sehr klar definierten Voraussetzungen und in engen Grenzen verweigern dürfen. Eine entsprechende Hintergrundprüfung sollte verpflichtend sein, um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Denn eine Waffe in den falschen Händen kann unglaubliches Leid verursachen. Außerdem will der Umgang mit Waffen gelernt sein. Dennoch sehe ich einen höheren Benefit bei einer Liberalisierung des Waffenrechts – allein schon wegen der Möglichkeit der effektiven Selbstverteidigung bei Gewaltverbrechen, auch gegen physisch wesentlich stärkere Angreifer. Man denke allein an die vielen Vergewaltigungsopfer, von denen die Mehrzahl durch die entsprechende Abschreckung durch eine Schusswaffe ihr Schicksal nicht hätten erleiden müssen.

Die Krux bei der Sache ist folgende: Wie kann man sicherstellen, dass diejenigen, die tatsächlich von einer Waffe profitieren würden, eine bekommen können, während diejenigen, die sie für Unheil benutzen würden, nicht bekommen? Denn man muss auch hier darauf achten, dass man nicht noch Entwicklungen verschärft, die in diesem Land schon angelaufen sind. Man denke an die zunehmende Ghettoisierung bestimmter Stadtviertel und ihre Verwandlung in No-Go-Zones, an Clan- und anderweitige Schwerkriminalität. Hier müsste – völlig unideologisch – eine realitätsnahe und pragmatische Lösung gefunden werden, die einerseits tatsächlich bedürftige, rechtschaffene Bürger schützt und andererseits Übeltäter vom (legalen) Waffenbesitz ausschließt.

Viel wichtiger wäre allerdings eine grundsätzliche, rationale Aufklärung darüber, was es mit dem Recht auf Waffenbesitz und dem richtigen Umgang mit Waffen auf sich hat. Erst, wenn sich ein entsprechendes Bewusstsein in der breiten Bevölkerung für die positiven Aspekte des Waffenbesitzes gibt, kann die Gesellschaft auch die Früchte einer gesetzlichen Novellierung im Sinne einer weitgehenden Freigabe des Waffenrechtes ernten.

Fazit

Libertarismus ist ein interessantes politisches Konzept, das heute bereits durch seine konsequente Anwendung schon einige positive Ergebnisse zeitigen dürfte. Allein die Entfaltung der enormen Energie, die durch eine Umleitung der individuellen Potenziale – weg vom Staat, hin zum Einzelnen – entstehen dürfte, würde einiges zum Besseren wenden. Denn immerhin wissen die meisten Menschen selbst am besten, was gut für sie ist. Zumindest besser, als es ein Zentralstaat jemals wissen könnte.

Andererseits sollte der Libertarismus nicht als Endstufe eines Gesellschaftsentwurfs, sondern vielmehr als seine notwendige Voraussetzung gesehen werden. Denn bei aller Richtigkeit seiner Ansätze vermag er nicht, eine Richtung vorzugeben, den Menschen Orientierung zu bieten, die sie so dringend für ihre schöpferische Kraft benötigen. Es ist wahr, dass Gemütslibertäre von heute bereits genau wüssten, was sie tun würden, wenn sie in einer genuin libertären Gesellschaft leben würden. Doch sollte man nicht den Fehler begehen, von ihnen auf die Gesamtheit aller zu schließen.

Insofern verfügt der Konservatismus mit seinem Bestehen auf traditionellen Werten und ewigen Wahrheiten klar über einen besseren Gesellschaftsentwurf. Doch auch er ist anfällig für exzessive Einschränkungen der Lebens- und Entscheidungsfreiheit – wie die dominanten zeitgenössischen Strömungen aus Sozialismus und (modernem) Liberalismus. Daher täte ihm eine stärkere Hinwendung zum Libertarismus und eine Rückbesinnung auf seine klassischen Wurzeln gut. Oder, in den Worten eines der Granden der amerikanischen Politik:

[A conservative is no longer just that – he’s a libertarian.] – Always has been.

Ronald Reagan, 1975
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