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Konspiratiomanie

In politisch herausfordernden Zeiten, um es ganz euphemistisch zu formulieren, florieren Verschwörungserzählungen. Durch Zufall (oder konspirative Planung höherer Mächte?!?) bin ich kürzlich auf gleich zwei interessante Einlassungen gestoßen, die mich auf diesen Beitrag gebracht haben: Zum einen die anregende Unterredung zwischen dem Alternativmedien-Patriarchen aus Schnellroda, Götz Kubitschek, und der hochintelligenten und  -gebildeten Philosophin Caroline Sommerfeld, zum anderen durch eine kurze, jedoch formidable Einlassung von Michael Klonovksy.

Es ist ja so, dass eine bestimmte, substanzielle Subsektion der Bevölkerung eine große Affinität zu Verschwörungstheorien hegt. Ja, sie scheint sich sicher, es besser zu wissen als die „breite Bevölkerung“ – despektierlich, wie auch von mir, als NPCs bezeichnet – die nur dem offiziellen Narrativ glaubt, wie es von Staatsmedien und hohen Beamten vorgegeben wird. Wer sich einmal eine Viertelstunde mainstreampolitische Talkrunde mit ihren Halb- und Viertelwahrheiten, ihrem in politisch korrekten Framing- und Gaslighting-Seminaren durchexerzierten Talking Points und unterkomplexen Scheinargumenten angetan hat, weiß, dass es sich bei all der Verborrhöe nicht um Geistreiches, Gehaltvolles oder auch nur Realitätsnahes handelt, sondern um die gebetsmühlenartig und ad nauseam wiedergekäuten verbalen Ausscheidungen ideologisch starrsinniger politmedialer Eliten, die die Formbaren in Ihrem Sinne erziehen und die Widerspenstigen abstumpfen lassen und zermürben sollen. Insofern hege ich eine gewisse Sympathie für Verschwörungstheoretiker, die  den offenkundig in Teilen real existenten Verschwörungen kritisch gegenüberstehen. Spätestens seit der Sauerei rund um den Themenkomplex Corona sollte jedem einigermaßen zum Selberdenken Fähigen klar sein, dass es so etwas wie Verschwörungen – meinetwegen in abgeschwächter Form als „Hinterzimmerabsprachen“ – tatsächlich gibt.

Doch der Reihe nach.

Wenn jemand heutzutage im politischen Diskurs unironisch von „Verschwörungstheorien“ spricht, äußert er damit einen politischen Kampfbegriff, der diejenigen zu diskreditieren trachtet, die besagten „Theorien“ anhängen. Der Wirkmechanismus des Kampfbegriffes basiert dabei auf der kulturell bedingten, dem westlichen Weltenbürger unterbewusst anerzogenen Prämisse, dass sich Anhänger von „Verschwörungstheorien“ dem Rationalen, Beweisbaren, Argumentativen per se entzögen – bzw. aufgrund eingeschränkter kognitiver Fähigkeiten diesen Dimensionen gar nicht zugänglich seien. Interessanterweise lassen diejenigen wiederum, die sich für rationaler, aufgeklärter und faktenbasierter halten, ihre argumentative Aufgeschlossenheit gemeinhin schmerzlich vermissen. Bemerkenswert, wenn sie sich ihrer Sache doch so sicher sind.

Bei Verschwörungstheorien handelt es sich — analog zu Stereotypen und Vorurteilen — zunächst einmal um ein Instrumente zur Komplexitätsreduktion. „Die Welt“ ist bei genauerer Betrachtung ein fast schon unerhörter Sammelbegriff, der uns bei allem, was auf ihr vorkommt, in ihrer schieren Komplexität geradezu erschlagen würde. Selbiges gilt für den semantischen Gehalt von Begriffen wie „die Wirklichkeit“, „der Mensch“ oder „Deutschland“. Um Denken überhaupt zu ermöglichen, müssen wir uns auf bestimmte (Teil-)Aspekte konzentrieren und sie genauer betrachten. Der Mensch würde sonst orientierungslos auf der Erde wandeln und – auf gut Deutsch – nichts gebacken kriegen. Wer glaubt, auf mehreren Gebieten über profunde Expertise zu verfügen, sollte sich kritisch hinterfragen, ob er überhaupt auf seinem Gebiet als Experte gelten kann. Er berichte über seine Erfahrungen mit dem Dunning-Kruger-Effekt und ob er sich oder andere in ihm wiedererkennt.

Hier kommen wir zum grundsätzlichen Problem Erkenntnismöglichkeit. Anders ausgedrückt: Was kann ich überhaupt wissen?

Ohne mich hierzu lang und breit belesen zu haben, extemporiere ich hier über verschiedene epistemische Ebenen. Ich denke, sie sind für den gemeinen Leser nachvollziehbar und einleuchtend. Dabei stelle ich keinesfalls den Anspruch auf Allgemeingültigkeit oder Vollständigkeit.

In meiner Wahrnehmung verfügt jeder Mensch über mehrere Ebenen, die ich epistemische Skopen getauft habe. Im Rahmen der weiteren Ausführungen sollte klar werden, was damit gemeint ist. Grundsätzlich ist jeder epistemische Skopus abhängig von mehreren Faktoren wie Lebensalter, Erfahrungen, Verbindungen zu anderen, beruflicher Expertise, Weltwissen/Allgemeinbildung oder Intelligenz.

Hier eine erste, tentative Skizze:

1. Ebene: Unmittelbar um mich herum, erfühl- und erlebbar, durch Sinne wahrnehmbar.

2. Ebene: Mittelbar um mich herum (Exkurs: Hierzu zählen bspw. auch Erinnerungen, die durchaus auch verfälscht sein können). Weiter entfernte Orte. Relativ enge Bekanntschaften.

3. Ebene: Nur durch andere unmittelbar erfahrbar, denen ich vertraue und bei denen ich keinen Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit habe.

4. Ebene: Unbekannte, deren Expertise jedoch anerkannt wird. Hierbei muss ein gewisses Vertrauensverhältnis gegeben sein. Bei Zweifeln werden Informationen mit dem eigenen Erfahrungshorizont abgeglichen und es wird mit Logik operiert.

5. Ebene: Unbekannte „Verrückte“. Man denke an den zauselbärtigen Penner in der Fußgängerzone mit dem Pappschild, auf dem steht: „Das Ende naht!“ und der einem für die ungeteilte Aufmerksamkeit gerne eloquent und konzise darlegen möchte, inwiefern das Ende der Zivilisation, wie wir sie kennen, naht.

Wer bis hier aufmerksam gelesen hat, wird feststellen, dass der Übergang von Ebene 4 zu Ebene 5 etwas abrupt scheint. Er/Sie möge sich dafür lobend auf die Schulter klopfen. In der Tat wäre für ein approximativ realistisches Modell der epistemischen Skopen unter wissenschaftlich stringenten Gesichtspunkten eine feiner ausdifferenzierte Darstellung notwendig. Wir schreiben hier aber keine wissenschaftliche Arbeit; und ich gehe schwer davon aus, dass 98 % meiner Leser mein grundsätzliches Argument verstanden haben werden. (Außerdem: Lernt bitte, streng wissenschaftlich, was Humor ist.)

Viele überschätzen sich in obigen Modell, indem sie mehr zu wissen vorgeben, als sie aufgrund ihrer Positionierung auf den jeweiligen Ebenen und ihrer Möglichkeiten überhaupt wissen können. Andere wiederum sind insofern autoritätshöriger, als sie sich sagen: „Na wenn hier Name einer Autoritätsperson einfügen das sagt, dann wird das schon stimmen.“

Sowohl auf Seiten derer, die Verschwörungstheorien verbreiten, als auch auf der, die ihnen Glauben schenken, finden sich je zwei extreme Pole: Bei den Urhebern von Verschwörungserzählungen existieren sicher zum einen solche, die durch False-Flag-Operationen ein vitales Interesse daran haben, dass durch Ihr lanciertes Narrativ von einem tatsächlichen Ausschnitt der Realität abgelenkt wird. Und dann gibt es solche, die in Eigenregie eine Vielzahl an disparaten Informationsschnipseln miteinander in Verbindung bringen, die durchaus für sich genommen jeweils einer empirischen Faktenüberprüfung standhalten würden, jedoch in keinerlei direktem Zusammenhang stehen. Letzteres Phänomen — im Fachjargon als Pareidolie bekannt — wird etwa illustriert durch die Jungfrau Maria auf dem Toastbrot oder Baumstammgesichter. Dem Menschen wohnt schlicht und ergreifend die Neigung inne, in allen möglichen Dingen der Umwelt Muster zu erkennen. Dies jedoch mit der Realität gleichzusetzen, ist ein Trugschluss. Unsere Erkenntnis muss lauten: Zufälle sind real.

Interessanterweise kann man aufgrund dieser Erkenntnis noch lange nicht darauf schließen, dass es gar keine Zusammenhänge zwischen zwei Phänomenen gibt. Somit liegt also auch der extremistische Zufallstheoretiker völlig falsch. In diesem Zusammenhang gilt es festzuhalten, dass Verschwörungen durchaus existieren. Eine der berühmtesten datiert aus dem Jahr 44 v. Chr. und betraf niemand geringeren als den damaligen römischen Kaiser Gaius Julius Caesar.

Das historische Gemälde Der Tod des Caesar von Vincenzo Camuccini

Woran liegt es nun, dass erstens Verschwörungstheorien wie Verschwörungsleugnung in unseren Tagen so sehr en vogue sind und sich die beiden Lager einander spinnefeind und unversöhnlich sind?

Sicher wird die soziale Fragmentierung in puncto Verschwörungstheorien durch die algorithmische Forcierung sog. Bubbles beschleunigt. Während in früheren Jahrzehnten das Mainstream-Narrativ durch die eingeschränkten Medienauswahlmöglichkeiten noch weitaus uniformer und damit verbindlicher war, splittert es durch das dezentrale globale Netz immer weiter auf — und dieser Prozess ist keineswegs bereits abgeschlossen.

Des einen Verschwörungstheorien sind des anderen harte Fakten. Was als das eine verpackt wird, entpuppt sich im Inhalt — besonders mit zeitlichem Abstand — oft als sein Gegenteil. Dies wird — da bin ich mir sicher — als einer der kennzeichnenden Aspekte über unsere Epoche in die Geschichtsschreibung eingehen.

Spontan fallen mir bei der mysteriösen Metamorphose von Verschwörungstheorie zu Faktum und umgekehrt mehrere Beispiele ein:

  • Der Ursprung des Coronavirus in einem Labor in Wuhan
  • Die Gentherapie mit mRNA-„Impf“stoff ist nebenwirkungsfrei
  • Donald Trump wurde 2016 durch russische Bots ins Weiße Haus gehievt und hat bei der Wahl beschissen – aber 2020 hat Joe Biden völlig legitim 18 Millionen stimmen gefunden und legitim gewonnen
  • Die AfD wollte bei einem Geheimtreffen in Potsdam Millionen Migranten und Deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund deportieren

Aber das sind im Vergleich ja relativ rezente Beispiele und kleine Fische. Wenden wir uns für eine etwas genauere Betrachtung den „Klassikern“ zu.

Mondlandung

Was man bei der Behauptung, die Mondlandung habe nie stattgefunden, jedenfalls nicht unterschlagen sollte, ist ihre geopolitische Bedeutung: Im Jahre 1969 befanden sich die beiden globalen Gesellschaftssysteme Kapitalismus und Kommunismus im erbitterten Widerstreit – auch im Hinblick auf die technologische Vormachtstellung. Dass also ein Interesse daran geherrscht haben könnte, die eigene technologische Überlegenheit zu faken, um dem Widersacher (und vor allem den Unentschlossenen auf beiden Seiten des Globus) zu demonstrieren, wer der Fortschrittlichere (und daher „Bessere“) sei, liegt auf der Hand.

Dagegen spricht wiederum, sich zu fragen, ob man Ende der 60er Jahre bereits dazu in der Lage gewesen wäre, eine solche Täuschung auf globaler Ebene überhaupt zu inszenieren und durchzusetzen. Außerdem: Es existieren mehrere Spiegel auf der Mondoberfläche, mit Hilfe derer man empirisch die Existenz menschlichen Handelns auf dem Trabanten nachvollziehen kann. Bereits bei der ersten Mondlandung anno 1969 soll der erste Reflektor aufgestellt worden sein. Auch wenn man die Chronologie anzweifelt – was „Mondlandungsleugner“ sicher tun werden – so lässt sich doch experimentell nachweisen, dass es sie dort gibt. Dass also niemals jemand auf dem Mond gewesen sein soll, kann damit ad acta gelegt werden.

Insgesamt halte ich die Argumente, dass die (erste) Mondlandung gefälscht worden sein soll, für schwach. Wie bei allen Verschwörungstheorien gilt: nicht unmöglich, aber unwahrscheinlich. Hier stehe ich (weitgehend) auf Seiten der „offiziellen“ Erzählung.

11. September

Im Gegensatz zur Mondlandung bin ich bei dem historischen Ereignis, das der 11. September 2001 zweifelsohne war, bereits physisch zugegen gewesen. Daher kann ich auch auf persönliche Anekdoten zurückgreifen. Ich weiß, was ich an jenem Tag getan hatte (erster Schultag nach den Sommerferien in Bayern, Friseurbesuch, MTV schauen) und wie ich mich fühlte. Geschockt. Ratlos. Schaurig unterhalten. Ein ganz komisches Gefühl. Es war alles so schlimm, „unwirklich“ geradezu, als sei man plötzlich in einem Film gefangen, den man sich vor einigen Momenten noch selbst angesehen hatte. Menschen, die aus den brennenden Wolkenkratzern dem sicheren Tod aus purer Verzweiflung entgegensprangen, nur um dem höllischen Flammentod zu entkommen. Schockierte Gesichter allenthalben. Feiernde Gesichter in der feindseligen arabischen Welt — Bilder, die man heute in Teilen geflissentlich verdrängt hat. Den ganzen Tag vor dem Fernseher kleben und doch immer wieder aufs Neue die immergleichen Bilder von den zusammenstürzenden Türmen sehen.

Am nächsten Tag dann diese seltsame Stimmung. Die wohl von offizieller Stelle angeordneten Diskussionsrunden mit den Klassenlehrern unserer Schule. Das bange Warten auf die Reaktionen, die nun sicher folgen würden. Würde ein Krieg ausbrechen? Wer würde daran beteiligt sein? Fragen über Fragen — und ein nicht enden wollendes Kopfkino.

Mittlerweile sind diese Ereignisse über zwei Jahrzehnte her. Und doch scheint das Gedächtnis der meisten in Bezug auf ein Ereignis wie dem 11. September 2001 besonders zu funktionieren, bei einem Vorkommnis, von dem man bereits im Moment seines Geschehens wusste, dass es historisch sein würde. Zwar war ich nicht vor Ort, habe also nicht unmittelbar mit meinen eigenen Augen gesehen, mit meinen eigenen Ohren gehört oder mit meiner Nase den Geruch von Verbranntem und Schutt gerochen. Doch es gibt zahlreiche Zeugen, die sicherlich nicht allesamt von wem-auch-immer dafür bezahlt wurden, um Lügen aufzutischen.

Dass es also dazu gekommen ist, dass die Gebäude eingestürzt sind, darf als gesichert gelten.

Ein anderer Aspekt betrifft die Urheberschaft. Viele sprechen hier von einem inside job, also davon, dass die USA (oder mächtige Akteure im Hintergrund) selbst den 11. September geplant und den Anschlag ausgeführt hätten. Logische Rückfrage: Wozu? Beliebte Antwort: Um im Nahen Osten mal richtig aufzuräumen. Weil man einen Sündenbock brauchte. Halte ich für sehr weit hergeholt. Warum so ein Riesending dafür veranstalten? Hier halte ich eher die Theorie für wahrscheinlich, dass man durch einen nicht erwarteten Angriff einen guten Vorwand hatte, die entsprechenden Regionen etwas „umzugestalten“. Wobei Afghanistan sicher ein weniger lukratives Ziel war als drei Jahre später der Irak mit seinen reichen Bodenschätzen (übrigens: Auch bei den Argumenten für den Irakkrieg bediente man sich einer Verschwörungstheorie …). Eher dürfte es sich so verhalten, dass man sich zur Devise gemacht hatte: Never let a good crisis go to waste.

Ein Aspekt noch, bevor ich zu tief in den Kaninchenbau eintauche. Als Beleg für eine inneramerikanische Verschwörung werden u. a. physikalische Gegebenheiten, etwa der Schmelzpunkt von Stahlträgern in den Zwillingstürmen, angeführt. Und da dieser nicht erreicht worden sei, sei dies ein klassisches in flagranti der vermeintlichen Verschwörer. „Schachmatt!“, unken die siegesgewissen Verschwörungstheoretiker.

Doch nicht so schnell: Wer sagt denn bitteschön, dass die Stahlträger hätten schmelzen müssen, um die Standfestigkeit der Konstruktion zu gefährden? So viel Physik dürfte selbst dem durchschnittlichen Gymnasiasten aus dem Physikunterricht noch bekannt sein, dass ein Schmelzen gar nicht vonnöten ist, um ein Gebäude zum Einsturz zu bringen – es kann auch vorher schon brenzlig werden. Aber auf solche Erklärungen will sich der gemeine, monomane Konspirationsanalytiker gar nicht einlassen. Es ist letztlich die verräterische Faktenresistenz, die den fanatischen Verschwörungstheoretiker als solchen entlarvt (im Gegensatz zum wahren, an der Erkenntnis interessierten Menschen). Vince Ebert prägte hier einmal das sinngemäße Diktum: Ein Idiot kann in einer Minute mehr Unsinn behaupten, als ein Wissenschaftler ein ganzes Leben lang widerlegen kann. Denn um etwas zu falsi- oder verifizieren bedarf es eines unheimlichen Arbeitsaufwands. Um zumindest eine Vorstellung vom Arbeitsaufwand bzw. einen Abriss dessen zu bekommen, was ein Sachkundiger alles „debunken“ müsste, kann sich hier schon mal provisorisch einen über 90-minütigen Vortrag dazu ansehen. Wer im Leben noch etwas anderes vorhat, als sich mit dem 11. September 2001 auseinanderzusetzen, den möchte ich an dieser Stelle herzlich beglückwünschen.

JFK-Mord

Manchmal muss man sich bei der Abwägung, ob man etwas für Fake oder Realität hält, auf sein Gefühl verlassen. Das offizielle Narrativ zur Urheberschaft des Mordes am damaligen amerikanischen Präsidenten John Fitzgerald Kennedy anno 1963 ist ein solcher Fall. Ich bin hier in der unglücklichen Lage, mich relativ wenig mit dem Fall befasst zu haben. Auf der anderen Seite gibt es Indizien, die mich zumindest an der offiziellen Version der Dinge zweifeln lassen. Was natürlich rein subjektiv sein mag.

Wichtig bei der Urteilsbildung ist bei jeder Betrachtung eines konkreten Falls der Hintergrund — historisch, gesellschaftlich, technologisch, politisch und anderweitig. Im Falle Kennedys gibt es schon Hinweise darauf, dass der militärisch-industrielle Komplex, dessen Existenz und als bedrohlich empfundene Macht gerade von Kennedys Vorgänger Eisenhower in seiner farewell speech angeprangert worden war. Einige von Kennedys Entscheidungen dürften dieser Entität nicht gefallen haben. Ein ja eher links orientierter Demokrat im Weißen Haus dürfte für einiges an Reibungspunkten gesorgt haben. Zudem sah man den globalen Kommunismus tendenziell als existenzielle Bedrohung, der man nach seiner Überzeugung (des MIC — military industrial complex) wesentlich aggressiver die Stirn bieten müsste. Ob man sich dann in Verschwörerkreisen tatsächlich dazu durchringen konnte, den amerikanischen Präsidenten zu ermorden, ist die große Frage. Doch hier spricht m. E. mehr dafür als bei den beiden oben genannten Themenkomplexen.

Neuen Zündstoff hat die Thematik schon deshalb erhalten, weil der Bald-wieder-Präsident Donald Trump im Wahlkampf — unter anderem bei Joe Rogans Podcast — angekündigt hatte, die Akten rund um den Kennedy-Mord für die Öffentlichkeit freizugeben. Es darf aus seinen Ausführungen geschlossen werden, dass es sich wohl tatsächlich um eine Geheimoperation — wohl der CIA — gehandelt haben wird. Das insinuiert der ehemalige und zukünftige Präsident zwischen den Zeilen. Aber es existieren wohl auch so einige Ungereimtheiten in Bezug auf die Umstände.

Angesichts dieser Indizien halte ich es für wesentlich wahrscheinlicher, dass diese Verschwörungstheorie im kommenden Jahr, nach der Amtsübernahme durch Donald Trump, zu einem empirisch-historischen Faktum befördert werden wird. Über 60 Jahre nach den eigentlichen Geschehnissen. Und dass somit ein geflügeltes Wort aus der Corona-Zeit wieder Auftrieb bekommen wird: Die Verschwörungstheorien von gestern sind die Fakten von morgen.

Fazit

Ob eine Verschwörungstheorie nur das ist, oder doch der Realität entspricht, lässt sich — wenn überhaupt — nur durch eine ausführliche Debatte klären. Als Daumenregel gilt: Wer die Debatte verweigert, unterdrückt und bestimmte Ansichten zensiert, ist nicht an der Wahrheitsfindung interessiert, sondern handelt interessengeleitet und ist daran interessiert, in seinem Sinne zu manipulieren (ergo: ein Lügengebäude zu errichten). Wer weiterhin glaubt, dass der Fortschritt der Menschheit selbst letzten Endes nur erreicht werden kann, wenn man der Wahrheit näher kommt (wobei dazu ein möglichst objektiv-faktenbasiertes Verständnis der Welt nötig ist), kommt zu dem Schluss, dass Debattenzensur jedenfalls immer der falsche Weg ist — unabhängig von den womöglich hehren Absichten der Zensurbefürworter. Wie immer gilt die ewige Wahrheit: Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.

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